Saisonrückblick 2025
- Anne Blüml
- vor 5 Tagen
- 6 Min. Lesezeit
von unserer gärtnerischen Leitung Anne

Wie ist das, wenn man sich ein Jahr lang selbst ernähren muss von dem, was man anbaut? Das
frage ich mich und denke an meine erste Saison auf dem Weltacker, die nun schon beinahe hinter
mir liegt.
Zwar musste ich mich glücklicherweise nicht wirklich von dem versorgen, was die Erde des ehemaligen Parkplatzes im Westpark hergab, doch fühlte es sich wie ein Testlauf an für Zeiten, in denen es drauf ankommt.

Als Gärtnerin sah ich mich im Frühjahr vor fachfremde Herausforderungen gestellt: die Fräse (oder BCS 740, für die Peniblen) mutete an wie ein Gefährt aus einer anderen Galaxie; ihre Bedienung war undurchschaubar, ihre Reaktionen unberechenbar. Viele Hände, erfahrene und ganz unbedarfte, versuchten sich an dem Mini-Traktor, ehe er Fahrt aufnahm und - was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste - zu einem meiner wichtigsten Gehilfen in diesem Ackerjahr wurde.
Zunächst mussten aber die im Winterschlaf versunkenen Flächen von tonnenweise Herbstlaub
und Mulch befreit werden. Elna und ich lernten uns kennen; beim wilden Aufschaufeln und ja, auch beim In-den-Haufen-Springen. Die Saison konnte beginnen.
Mein ehemaliger Chef, Franz, ein Bio-Bauer aus dem Knoblauchsland, brach die Felder behutsam mit seinem Traktor um. Ich sortierte Saatgut, saß stundenlang vor Plänen und vor dem Laptop, um mich den rund 50 Kulturen anzunähern, die ihren Platz auf dem Acker finden sollten. Was sät man zuerst? Was muss vorgezogen werden? Wovon muss noch Saat bestellt werden? Ich war aufgeregt, wollte nichts falsch machen. Wie irrte ich mich bei dem Gedanken, Fehler vermeiden zu können!
Aussaatplatten wurden befüllt, Erbsen hineingedrückt. Eine Hälfte vorziehen, die andere ins Beet. Eine meiner ersten Direktsaaten war der Johannisroggen, eine alte, zweijährige Roggen-Art, auch Waldstaudenroggen genannt. Sorgfältig maß ich die Fläche ab, grub mit der Hand um, harkte die Erde liebevoll glatt und brachte die Körner in leicht schiefe Rillen ein. Sofort flatterten Tauben an und begannen, mein Tagwerk aufzufressen. Empört kreischend sprang ich auf und nieder, um sie zu verscheuchen. Es sollte bei Weitem nicht das letzte Mal gewesen sein.

Jede Saat wurde von nun an mit Vlies abgedeckt. Eine Aufgabe, die ich nicht leiden konnte und immer noch nicht leiden kann. Ein Kampf mit den riesigen verwurschtelten Ballen, ein Windstoß, der alles verweht, Stolpern und Stürzen, Ziehen und Zerren an allen Ecken und Enden. Einmal ließ ich es drauf ankommen... beim Lein, dessen Feld nur 11 Quadratmeter misst. Ich ließ es unbedeckt - mit dem Ergebnis, dass keine einzige Pflanze keimte. Ich hatte gelernt!

Das Frühjahr überrollte mich munter, und ich ackerte unermüdlich. Mangels Alternativen hatte ich eine kleine Anzuchtstation in zwei beheizbaren Mini-Gewächshäusern in unserem ziemlich neuen Seminargebäude aufgebaut. Darin herrschte tropische Luftfeuchte und ein wildes Gemenge an Blumen und Gemüse.
Ich vermehrte Beinwell, versuchte mich (fürs Erste) erfolglos an der Aussaat von Baumwollsamen, fräste, was das Zeug hielt, lernte die „Sembner“ kennen (auch eine gute Gefährtin, eine mechanische Sämaschine aus althergebrachtem Fabrikat).

Die Erbsen klemmten darin, der Mais (einer meiner größten Sorgenkinder) wurde in unregelmäßigen Haufen herausgeworfen, das Rad steckte im Schlamm fest: wir machten viel zusammen durch.
Gute und schlechte Tage. Stets begleitet von mal belustigten, mal besorgten Kommentaren und Hilfestellungen von Elna, die froh war, ab und zu vom Laptop wegzukommen.

Wie erleichtert und glücklich war ich, als die ersten Erfolge sich einstellten! Der Roggen wuchs wie Unkraut. Die Erbsen und die dicken Bohnen spitzten heraus. Der Weizen keimte. Doch schnell kamen wieder Zweifel: warum hatten die Weizenreihen so viele Lücken?
Kann die Baumwolle nach zwei Wochen immer noch keimen? Ist das etwa QUECKE da mitten im Feld? Sind das wirklich Zuckerrüben oder hab ich das Glas mit der roten Bete genommen? So fuhr ich in den botanischen Garten Erlangen, um mir neue Baumwollsamen zu holen, deckte einmal das komplette Gemüsebeet ab aus Sorge, die Kapuzinerkresse könnte erfrieren, fuhr mit der Radhacke wild durch sämtliche Reihen, als das Unkraut nur so spross. Einmal kam ich nachts zum Acker, um die Baumwollpflanzen vor einem drohenden Kälteeinbruch zu retten.
Zwischendurch brachten Elna und ich stapelweise altes Holz auf dem Lastenrad weg und hatten einen Riesenspaß mit dem wilden Gefährt. Holz tragen, stapeln, sägen; Kompost aufsetzen und umsetzen, Flächen von Bauschutt befreien, Quecke herausstechen, Brennnesseln und Ackerkratzdisteln und Topinambur, immer und immer wieder. Das war schwere Arbeit!
Dann kamen die Sträflingstage vor der Saisoneröffnung, als wir ein riesiges Yams-Hochbeet bauten, für das wir ungefähr 50 cm unseres schweren Boden abtragen und hunderte Schaufeln Sand hineinbefördern mussten.

[Anm.d.Red.: 2/3 der Bau- / Schaufelzeit hat es in Strömen geregnet. Dieses Bild ist dementsprechend nicht sinnbildlich für die sog. Schwerstarbeit]
Überhaupt: unser Boden. Ich lernte ihn nach und nach kennen. Jede Ecke, jede Stelle ist anders, obwohl überall das Gleiche aufgetragen wurde. Auf dem Kartoffelacker hatte es lehmigen, aber lockeren, wunderbar humosen Boden, gespickt mit fetten Regenwürmern. Es gab ganz trockene Flächen (natürlich vor allem um die Bäume herum) und verdichtete, problematische Bereiche, die zudem noch sehr schattig waren. Nicht zu vergessen das berühmt-berüchtigte „Sumpfloch“, eine rätselhafte, runde Stelle, in der schon Franz mit seinem Trecker

steckengeblieben war. Dort stand das Wasser - es roch nach Moder und Algenflechten überzogen die Oberfläche. Hier, auf dem ganzen Feld, wuchs nichts. Reis und Soja säte ich jeweils zweimal aus - Soja sogar einmal mühsam mit der Hand, weil die Semdner mal wieder streikte - sorgfältig impfte ich auch die Sojabohnen. Das Ergebnis war erschütternd. Gerade mal zwei, dann fünf Pflanzen kamen. Ich war am Boden zerstört, im wahrsten Sinne des Wortes.
Auch der Mais ging nicht auf. Fünf Tage nach der Aussaat hatte es Frost gegeben, die Keimlinge waren abgestorben. Ich lernte den Mais kennen, als empfindliches und schwieriges Gewächs; ich tat mich schwer, ihn zu mögen. Diese Zeit war wohl zugleich meine größte Krise auf dem Acker dieses Jahr. Was hatte ich falsch gemacht? Gab es noch was zu retten? Der Wetterbericht war mein bester Freund, Zuhause guckte ich „Agrar heute“. Was ist das für ein verdammt komplizierter Beruf, dachte ich mir.

Wir recherchierten und kamen zu dem Schluss, dass Mäuse die Sojabohnen gefressen haben mussten. Wir stellten ein paar Fallen auf - doch ohne Erfolg. Erst, als ich die anderen Bohnen
steckte - die Busch-, Augen- und Stangenbohnen, bemerkte ich dort beschädigte Keimblätter und angefressene Bohnen. Die wenigen Sojabohnen, die ich gefunden hatte, waren verfault und von Maden befallen gewesen. Die Bohnenfliege schien sich ihrer ermächtigt zu haben!
Die Weibchen legen von April bis Mai etwa 30 bis 90 Eier pro Fliege an das Saatgut von Bohnen wie Buschbohnen oder Stangenbohnen. Nach zwei bis elf Tagen schlüpfen daraus Larven, die die Kerne aushöhlen. Etwa zwei Wochen fressen sich die Larven durch, bevor sie sich verpuppen. Die Samen laufen derweil gar nicht auf oder bringen stark geschädigte, deformierte Keimlinge hervor. Nach der Verpuppung im Boden, die ebenfalls etwa zwei Wochen dauert, schlüpfen die Fliegen der nächsten Generation (bis zu vier sind möglich). Die Bohnenfliege entwickelt sich gut unter feuchten und kühlen Bedingungen, deshalb richten die Larven der ersten Generation den größten Schaden an. Quelle: https://www.mein-schoener-garten.de/themen/bohnenfliege
Schließlich machte ich meinen Frieden mit dem Misserfolg, säte den Mais nochmal - auf einer auch schwierigen Fläche - und setzte sogar vorgezogene Pflänzchen in die teilweise großen Lücken. Berauschend sah das Feld nicht aus, aber es war etwas da, und ich lernte, auch damit zufrieden zu sein.

Auf den Soja-und Reisfeldern säte ich eine Mischung aus Buchweizen, Phacelia, Saatwicke und Weißklee. Zunächst keimte es überall schön, doch die Gründüngung konnte sich im Sumpfloch nicht halten und wurde von einer Hirseart (eine meiner größten Widersacherinnen auf dem Acker) verdrängt. Nun wollen wir demnächst einen Bagger ausleihen und die Stelle aufgraben, um Abhilfe zu schaffen.
Die Hirsen waren als Letzte dran - sie wuchsen zuverlässig, waren aber so mit der anderen, ordinären Hirse durchsetzt, dass ich Tage damit verbrachte, die Pflanzen zu jäten und mit scharfem Auge hinzusehen, um nicht die falschen herauszuziehen.

Ich probierte einen veganen Dünger aus Klee aus, verspritzte die stinkende Brennnesseljauche, mulchte mit dem Laub des vergangenen Winters, das auf den Randstreifen des Weltackers in sich zusammengefallen war.
Erdnüsse waren schwer zu bekommen, dann faulten sie, dann keimten sie, dann pflanzten wir sie und dann kam einer der Hasen und fraß genüsslich daran. Alle Kichererbsen hatte ich an die langohrigen Gesell:innen - genannt Eddi 1 bis 3 - verloren. [Anm.d.Red.: Eddi 1 bis 3 sind unsere Ackerhasen].
Die Lösung für die Erdnüsse war ein Zaun.

Es gäbe noch viel von den Pflanzen zu erzählen. Von der reichen Kartoffelernte, den Rückenschmerzen danach, von der verzauberten Schönheit des Morgens am Acker, vom mannshohen Weizen, seinem Aufstieg und Niedergang, von den vielen Tierchen, den vielen wilden Blumen und von den düsteren Ecken, die auch ihre Berechtigung haben.


Doch ein wichtiges Kapitel fehlt noch: die Menschen. Die Menschen auf, über, im Acker. Am Acker vorbei. Tagtäglich. Bisweilen auch Nachts. Wir sind nicht abseits der Stadt, wir sind (fast) mittendrin. Den Menschen am Acker möchten wir einen eigenen Eintrag widmen. Von den helfenden bis hin zu den stehlenden Händen. Von den die tatkräftig mit angepackt haben bis zu denen die uns finanziell unter die Arme greifen. Von denen die uns bei unseren Festen unterstützen und denen die wir unterstützen. Von den deutschen über die europäischen bis hin zu den internationalen Weltäckern. Seid gespannt!




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